Ternopil

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Heute präsentiert sich Ternopil mit seinen 232.000 Einwohnern als eine der größten Städte in der Westukraine. Die Geschichte der ostgalizischen Stadt reicht zurück bis in das Jahr 1540. Der polnische König Sigismund I. genehmigte dem Hetman der polnischen Krone Jan Amor Tarnowski in einem Gebiet, das als Einöde galt, eine Stadt zu gründen.
Vier Jahre später erbaute Tarnowski das Ternopiler Schloss, um sich vor Tartarenüberfällen zu schützen. Bis die Habsburger die Herrschaft über die Region im Jahr 1772 übernahmen, war Ternopil Teil der Woiwodschaft Ruthenien der polnischen Adelsrepublik. Im Laufe der Jahrhunderte geriet Ternopil immer wieder in das Kreuzfeuer. 
Vor allem im ersten und zweiten Weltkrieg war die Stadt hart umkämpft. Sieben Mal wechselten die Machtverhältnisse zwischen 1914 und 1918. In den Zwischenkriegsjahren war der Ort Teil der westukrainischen Volksrepublik, ehe er 1939 unter sowjetische Herrschaft geriet. Ab Juli 1941 besetzten deutsche Truppen das Stadtgebiet und verteidigten es als einen von Hitlers „festen Plätzen“ erbittert bis zur fast vollständigen Zerstörung der Stadt. In der Zeit der deutschen Besetzung kam es zur Vernichtung der Juden in der seit ihrer Gründung stark jüdisch geprägten Stadt. Die Deutschen deportierten und ermordeten fast jegliches jüdisches Leben. Im Zuge des Wiederaufbaus der Stadt, während der Zeit der Sowjetunion, wurde auch das Stadtschloss wiedererrichtet und ab 1956 als Sportschule genutzt.

Das jüdische Ternopil

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Eng verbunden mit der Stadtgeschichte ist das jüdische Leben in der Region. Kurz nach Gründung der Stadt im Jahre 1540 siedelten sich zahlreiche Juden in Ternopil an. Ab 1550 war es ihnen erlaubt, in allen Teilen der Stadt abseits des Marktplatzes zu siedeln. Während zahlreicher Überfälle im 17. Jahrhundert waren die Juden ein wichtiger und aktiver Bestandteil bei der Verteidigung des Ortes. Davon zeugt auch die Errichtung einer befestigten Synagoge, die sogar mit Schießscharten ausgestattet war. Während der Kosaken-Aufstände unter Chmelnyzkyj gegen die polnische Adelsrepbulik floh ein Großteil der in der Stadt lebenden Juden – die im Ort Verbliebenen massakrierten die Truppen Chmelnyzkyjs. Nur mühsam erholte sich die jüdische Bevölkerung von diesem Schlag. Da die meisten Juden in kaufmännischen und Händlerberufen tätig waren, verzögerte sich die Entwicklung der Stadt enorm.

Ab 1740 bekräftigte die polnische Herrschaft die Privilegien der Juden – sie durften fortan in jedem Teil der Stadt Handel treiben und leben. Nach der Machtübernahme der Habsburger sank der Einfluss der jüdischen Gemeinschaft, in kultureller Hinsicht erlebten die Juden in dieser Zeit allerdings ihre Blüte. Davon zeugen im 19. Jahrhundert jüdische Zeitungen und die Einrichtungen von Schulen für Jungen und Mädchen. Im Verlaufe der Einwohnerzählungen machte die jüdische Bevölkerung in Ternopil fast gleichbleibend 50 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Umso schwerer wiegen die Verbrechen der Deutschen in der Stadt. Wenige Tage, nachdem die Stadt von der Wehrmacht besetzt worden war, kam es zu ersten Massenerschießungen – vom 4. bis zum 11. Juli kamen 5.000 Juden ums Leben. Als eines der ersten in ganz Galizien überhaupt, richteten die deutschen Besatzer in Ternopil ein Ghetto ein. 12.500 Menschen fanden auf engstem Raum wenig Platz zum Überleben. Dennoch versuchten die Juden durch die Einrichtung von Schulen, Waisenhäusern und Altersheimen so viel Normalität wie möglich herzustellen. Zwischen dem 25. März 1942 und dem 6. August 1943, dem Tag der Auflösung des Ghettos und endgültigen Vernichtung der Juden, geschah systematisch Grausames. Zwischen August und September 1942 deportierten die Deutschen rund 5.000 Juden in das Vernichtungslager Belzec. Wer danach noch im Ghetto zurückblieb und als kräftig genug angesehen wurde, musste in einem Arbeitslager körperliche Schwerstarbeit unter Zwang verrichten. Am 6. August 1943 wurde jegliches verbliebene jüdische Leben in Ternopil vernichtet. Rund 200 Juden überlebtenin Verstecken polnischer Mitbürger oder fern der Heimat in Sibirien die Verbrechen der Deutschen.

Ternopil Gedenken

Bis in die 1960er Jahre etablierte sich eine kleine jüdische Gemeinschaft und rund 500 Juden lebten in der Stadt. Die einstige alte Synagoge, dort, wo sich Anfang der 1940er Jahre auch das Ghetto befand, ist bis heute in einem ungenutzten und heruntergekommenen Zustand. Die immer noch vorhandene jüdische Gemeinschaft organisiert ihr Leben in einem Gemeindezentrum, einem Sonntags- und einem Frauenclub. An die Verbrechen gegen die Juden im zweiten Weltkrieg erinnert seit 1996 ein Denkmal in der Stadt.

Stepan Bandera

Der Name Stepan Bandera ist eng verbunden mit der OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten) und dem Kampf für eine unabhängige Ukraine, der in Folge des Ersten Weltkriegs begann. Um das Ziel einer unabhängigen Ukraine nach dem Scheitern der Ukrainischen Volksrepublik umzusetzen gründete sich 1929 die OUN, die nicht vor radikalen Methoden zurückschreckte, um diese Ziel zu erreichen.

Auch Bandera schloss sich der Organisation an und stieg bereits in den 30er Jahren in deren Führungskader auf. Nach einem Anschlag bei dem der polnische Innenminister Bronisław Pieracki getötet wurde, den die Nationalisten für die Repressionen gegen die ukrainische Minderheit verantwortlich machten, wurde Bandera 1934 zu lebenslanger Haft verurteilt. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und dem Überfall auf Polen kam er jedoch frei.

Für die Wehrmacht geschah diese Freilassung nicht ohne Hintergedanken, da sie hoffte, Bandera würde die OUN und die UPA auf die Seite der Deutschen bringen um gemeinsam mit diesen gegen die Sowjetunion vorzugehen.

Das Bandera-Denkmal von hinten vor dem Rathaus der Stadt
Das Bandera-Denkmal von hinten vor dem Rathaus der Stadt
"Held der Ukraine - Stepan Bandera"
"Held der Ukraine - Stepan Bandera"

Aufgrund von Differenzen zwischen Bandera und dem Anführer der OUN, Andrij Melnyk, kam es 1940 zur Spaltung der Organisation in eine konservative OUN-M (Melnyk) und eine revolutionäre OUN-B (Bandera). Diesem "Bandera-Flügel" wird von einigen internationalen Historikern vorgeworfen 1941 noch vor Einmarsch der regulären deutschen Truppen ein Massaker in Lemberg angerichtet zu haben, bei dem rund 7000 Menschen ermordet wurden. Banderas Rolle hierbei ist allerdings umstritten.

Eine Kooperation mit der Wehrmacht kam in jedem Falle aber insofern zustande, dass unter deutscher Aufsicht Kampfverbände wie die Legion Ukrainischer Nationalisten gegründet wurden (Bataillone "Nachtigall" und "Roland"),  die später gegen die Sowjetunion kämpften.

Darüber hinaus blieb seitens der OUN aber auch das Interesse für eine unabhängige Ukraine bestehen, sodass Bandera am 30. Juni 1941 eben diese auf dem Marktplatz von Lemberg ausrief. Der Versuch scheiterte, da die deutschen Besatzer den Ukrainern keine Autonomie gewährten, und Bandera und seine Mitstreiter wurden festgenommen.

Bandera kam in das KZ Sachsenhausen, erhielt allerdings einen Sonderstatus als so genannter Ehrenhäftling und somit unter anderem eine größere und  möblierte Zelle.

Im Jahre 1944 wurde Bandera aus dem KZ entlassen, um die UPA erneut gegen die vorrückende Rote Armee einzusetzen. Eine erneute Kooperation mit den Nationalsozialisten kam allerdings nicht mehr zustande. Stattdessen kämpfte die UPA gegen Kriegsende auch gegen deutsche Soldaten.

1946 flüchtete Bandera nach München, wo er 1959 von einem KBG Agenten getötet wurde.

Rezeption Banderas

Für die Anhänger Banderas ist die Haft im KZ bis heute der Beweis, dass Bandera weniger NS-Kollaborateur als Opfer der Dritten Reichs gewesen sei, dem es allein um das Ziel einer unabhängigen Ukraine gegangen sei, die er mit allen - wenn auch amoralischen Mitteln - zu erreichen versuchte. Seine Gegner sehen ihn hingegen als Faschisten und Kriegsverbrecher und machen ihn mitverantwortlich für die Massaker, die die OUN und die UPA zum Zwecke eines ethnisch reinen ukrainischen Staates an Juden und der polnischen Zivilbevölkerung verübte.

So ist der Name Bandera bis heute polarisierend:  Vor allem in der westlichen Ukraine dient sein Name als Kanalisierungspunkt ukrainischen Nationalbewusstseins und Bandera wird bis heute von vielen Ukrainern als Nationalheld verehrt. Zu seinen Ehren errichteten zahlreiche Städte im vergangen Jahrzehnt Denkmäler und Statuen. Diese Stätten fallen jedoch immer wieder Vandalismus zum Opfer, auch am Ternopiler Bandera-Denkmal sind Vorfälle von Vandalismus bekannt.

Aufkleber an einem Laternenpfahl gegenüber des Bandera-Denkmals
Aufkleber an einem Laternenpfahl gegenüber des Bandera-Denkmals
Aufkleber an einem Schild am See der Stadt. ca. 1,5 Km vom Bandera-Denkmal entfernt
Aufkleber an einem Schild am See der Stadt. ca. 1,5 Km vom Bandera-Denkmal entfernt

Die Denkmallandschaft in Ternopil

unbekannter soldat 2
Grab des unbekannten Soldaten

Grundsätzlich ist die Denkmallandschaft in Ternopil vielfältig und es lassen sich viele verschiedene Narrative (wieder)finden. Neben Denkmälern für berühmte Persönlichkeiten wie Taras Ševčenko, Ivan Franko, Bohdan Chmelnyzkyj und Danylo von Galizien, existieren auch eine Vielzahl von Denkmälern bestimmte Ereignisse betreffend. Hierzu zählen die Gedenkorte für die Opfer der stalinistischen Repression, die Opfer der Deportation, die Helden der Roten Armee, die Himmlischen Hundert, den Afghanistankrieg, die Tschernobylkatastrophe, sowie der Alte Park (ehemals „Park des Ruhmes“) zu Ehren der Soldaten des Zweiten Weltkriegs.

Im Park befindet sich ein Hügel des Ruhmes mit dem Grab des unbekannten Soldaten im Vordergrund. Die ewige Flamme, die als Symbol der ungebrochenen Erinnerung an die Taten der gefallenen Helden galt, ist allerdings erloschen. Das Denkmal erscheint bei näherer Betrachtung generell in einem schlechten Zustand.

Neben Friedhöfen, Kirchen und Denkmälern existiert seit 2011 aber auch eine aktuellere und vermeintlich publikumswirksamere Form der Erinnerung in der Stadt.  Auf einer Art „Walk of Fame“ werden jedes Jahr zwei Personen mit einem Stern geehrt, die herausragende Beiträge zur Enwicklung von Ternopil geleistet haben. Hierzu zählen vor allem Künstler, Wissenschaftler und Sportler.

Im Jahr 2015 entschied man sich erstmals dazu nicht nur Einzelpersonen zu ehren, sondern stattdessen alle Freiwilligen, die die ukrainischen Soldaten im Osten des Landes unterstützen.

Ein Geländer in Ternopil, angestrichen, wie an vielen anderen Orten auch.
Statue von Ivan Franko in Ternopil
Statue von Ivan Franko in Ternopil
Danylo von Galizien im Zentrum Ternopils
Die Katholische Kirche in der Stadtmitte, sie wurde von sowjetischer Repression nur bedingt getroffen.