Czernowitz
Eingang zur Universität Czernowitz.
Herrschaftswechsel im Stadtbild
Die wechselvolle Geschichte der Bukowina schlägt sich auch im Stadtbild und öffentlichen Erinnerungskultur der Stadt Czernowitz nieder.
Ihre erste kulturelle Blütezeit erlebte die Stadt unter österreichisch-ungarischer Herrschaft, während der 1875 die Franz-Joseph-Universität gegründet wurde.
Unter rumänischer beziehungsweise sowjetischer Herrschaft kam es jeweils zur Umbennungen der Universität sowie Anpassungen der Unterrichtssprache. Schließlich erhielt die Universität 1989 den Namen Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz. Unterrichtssprache ist seitdem ukrainisch.
Die unterschiedlichen Herrschaftsperioden schlagen sich auch in der Denkmalslandschaft nieder. Stand bis zum Ende des 1. Weltkriegs eine Marienstatue auf dem Zentralplatz, wurde diese nach 1918 durch einen Soldaten mit rumänischer Fahne ersetzt. In der sowjetischen Zeit schmückte Lenin den Platz, der wiederum 1991 im Zuge der Unabhängigkeit der Ukraine gestürzt wurde. Heute ziert eine Statue des ukrainischen Nationaldichters Taras Ševčenko den Platz. Der Dichter ist durch seine Verehrung in allen Teilen der Ukraine als integrative Figur der Nationalkultur anzusehen.
Denkmal für Tras Schefschenko.
Front des Deutschen Vereinshauses in Czernowitz.
Zusammenleben in Vielfalt
Czernowitz stellte einen Mikrokosmos der habsburgischen Vielvölkermonarchie dar. Die heterogene Bevölkerungsstruktur, bestehend aus Juden, Deutschen, Rumänen, Ruthenen (Ukrainern) und Polen sowie kleineren Minderheiten, hatte einen ausgleichenden Effekt auf das städtische Zusammenleben.
Mit dem „Bukowiner Ausgleich“ 1910 wurden alle Bevölkerungsgruppen rechtlich gleichgesetzt und durften Abgeordnete in den Landtag schicken und Nationalhäuser errichten, die als kulturelle Zentren und als Sitz für Vereine dienten.
Jüdisches Vereinshaus in Czernowitz.
Jüdisches Leben in Czernowitz
Die jüdische Bevölkerung spielte eine bedeutende Rolle in der Stadt. 1867 erfolgte die vollständige rechtliche Gleichstellung durch Kaiser Franz Joseph I., die den gesellschaftlichen Aufstieg ermöglichte. Die jüdische Gemeinden wuchsen seitdem kontinuierlich und stellten 30% (1910) bzw. 47% (1930) der Stadtbevölkerung. Die über 70 Synagogen und Bethäuser bezeugen die Vielfalt des jüdischen Lebens, innerhalb dessen es auch zu innerjüdischen Konflikten (Religion/Sprache/Politik betreffend) kam.
Durch Antisemitismus und Deportationen unter rumänischer, deutscher und sowjetischer Herrschaft, wird die Habsburger Zeit heute als Blütezeit der Juden in der Bukowina gesehen.
Heute existieren nur noch eine kleine jüdische Gemeinde sowie eine jüdische Schule in Czernowitz.
Klagemauer auf dem jüdischen Friedhof in Czernowitz.
In Czernowitz befindet sich der drittgrößte jüdische Friedhof Europas, der mit seinen ca. 100.000 Gräbern die Bedeutung der jüdischen Bevölkerung veranschaulicht. Die wechselvolle Stadtgeschichte schlägt sich auch in verschiedensprachigen Grabinschriften nieder.
Die Shoah und deren Tabuisierung während der Zeit des Kommunismus führten zu einem Verfall des Geländes.
Seit einigen Jahren wird der Friedhof von Wildwuchs befreit, auch die Ruine der imposanten Zeremonienhalle soll restauriert werden.
Aussegnunghalle auf dem jüdischen Friedhof.
Geburtshaus Paul Celand
„Die Gegend, in der Bücher und Menschen lebten“
Mit diesen Worten beschrieb der aus Czernowitz stammende jüdische Autor Paul Celan (1920-1970) die Bukowina. Er steht stellvertretend für eine Vielzahl von Schriftstellern – darunter viele deutschsprachige Juden – die Czernowitz als Kultur- und Literaturstadt prägten. Heute weisen Straßenschilder und Gedenktafeln für diverse Autoren der Bukowina auf die kulturelle Vergangenheit der Region hin.
Bezeichnend dafür ist, dass 1992 dem Dichter Paul Celan das erste nach der Unabhängigkeit der Ukraine enthüllte Denkmal gewidmet wurde.