Historischer Hintergrund
Die Ukrainischen Gebiete im 16. Jahrhundert
1569 wurde nach Verhandlungen zwischen polnischen und litauischen Fürsten ein Abkommen in Lubin geschlossen, welches die Vereinigung der beiden Reiche festschrieb.
Die polnische Hegemonie erstreckte sich somit auch auf die vormals litauischen bzw autonomen Gebiete Podlachien, Wolhynien, Kiew und Podolien.
Die neuen Territorien wurden in Pfalzen untergliedert. Neben den bereits existierenden polnischen Pfalzen Lubin, Chelm, Belz und Galizien (auch Rotruthenien) wurden die Grafschaften Wohlynien, Kiew, Podolien, Bratslav und 1619 Tschernihiv etabliert.
Ebenfalls im späten 16. Jahrhundert kam der Begriff Ukraine als Bezeichnung für das grob die Pfalzen Kiew, Bratslav und Chernihiv umfassende Gebiet auf.
Die Eingliederung der Region Tschernihiv stellte auch die am weiteste Ausdehnung des polnischen Einflussgebietes nach Osten dar. In den folgenden Jahrzehnten erweiterte das russische Zarenreich sein Territorium in westlicher Richtung.
In der südöstlichen Ukraine stellte sich in dieser Periode ein Wechselspiel von drei Einflussspähren ein: polnisch, Muskowit bzw. Zaristisch, und Krimtataren (als Rückstand der mongolischen Goldenen Horde, später unter Einfluss des Osmanischen Reichs.)
Gleichzeitig waren die Grenzländer am niederen Dnieper und niederen Donets kaum staatlich durchdrungen und von lokalen, selbstbestimmenden Gruppen dominiert. Die hier gezogenen Grenzen hatten demnach größtenteils symbolischen Charakter.
Der Kossakenstaat nach 1649
In der Mitte des 17. Jahrhunderts hatten sich viele Kosaken an Raubzügen gegen osmanische Städte am Schwarzen Meer beteilig und sich im militärischen Dienst Moskaus und Polen verdingt. Um 1620 begannen die am neiderem Dnieper lebenden Saporoger Kosakenfürsten, sich als Verteidiger der Othodoxie zu erklären. Dieser Anspruch brachte sie in zwangsläufig in Konflikt mit dem katholischen polnischen Königreich, unter dessen Herrschaft sie formal standen, sodass zwischen 1620 und 1630 zahlreiche Revolten und Scharmützel zwischen den beiden Parteien. Die angestauten Spannungen kulminierten 1649 in einer größeren Revolte, welche nach einigen schnellen Siegen bis nach Zamostien vordrang. Nachdem nun ein beträchtliches Territorium unter ihrer Kontrolle lag, begannen die Revolutionäre staatliche administrative Strukturen aufzubauen, ihre Herrschaft wurde im Zuge des Waffenstillstandes mit Polen-Lithauen 1649 anerkannt und weiter konsolidiert.
Die ukrainischen Gebiete im 18. Jahrhundert
Den wachsenden Einfluss des Zarenreichs spürte als erste kosakische Region die, infolge der polnisch-kosakischen Kriege, autonome Region der Sloboda Ukraine. Die kosakischen Herrschaftsgebiete wurden 1765 von der moskowitischen Regierung zerschlagen und das Gebiet als Sloboda Ukraine in dsa Zarenreich eingegliedert.
UCH Niedersaporischeschjas Herrschaft über Gebeite im Südosten der heutigen Ukraine wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch Zar Peter I. beendet. Die Territorien wurden in das Zarenreich eingegliedert und bildeten ab 1775 die Provinz Neurussland.
Die Inkorporation des zentral gelegenen semi-autonomen Hetmanats ging subtil vonstatten. Die Gebeite wurden nach der endgültigen Zerschlagung der Kosakenherrschaft im Jahr 1796 in die Provinz Kleinrussland integriert.
Der Integration der Kosakenregionen und Siegen über das Osmanische Reich folgend, konnte das Zarenreich unter Katharina II. weitere Territorien nördlich des Schwarzen Meeres, auf der Krim sowie entland des Flüsse Dnister, Dnepr und Bug gewinnen. Diese wurden ebenfalls in die Provinz Kleinrussland eingegliedert.
Im Zuge der Expansion Russlands, Preußens und Österreich-Ungarns wurde der polnische Staat zwischen 1772 und 1793 zerschlagen und aufgeteilt. Dabei fielen die Gebiete Galizien, Teile Podoliens, sowie die Bukowina dem Habsburggerreich zu. Russland übernahm die Herrschaft über die Regionen Kiev, Wolhynien und weite Teile Podoliens.
Die Dnieper Ukraine
Während des neunzehnten Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 blieb der politische Status der ukrainischen Gebiete im Wesentlichen unverändert. Die Ukrainischen Gebiete lagen im Territorium des Russischen Reiches und der österreichisch-ungarischen Monarchie
Die westliche und südliche Expansion des Russischen Reiches wurde im neunzehnten Jahrhundert fortgesetzt. Finnland, Bessarabien und Kongresspolen wurden bis 1815 übernommen. Zusammen mit den früheren Akquisitionen aus Polen und dem Osmanischen Reich befanden sich 1815 ca. 85 Prozent der ukrainischen Gebeite unter Russischer Herrschaft.
Die großflächige Ausdehnung des Zarenreiches erforderte Verwaltungsreformen um die Herrschaft aufrechtzuerhalten. Im Jahre 1775 wurde ein Gesetz für die Reorganisation des Staates beschlossen. Ziel war es, das gesamte russische Reich in kaiserlichen Provinzen zu gliedern, von denen jede etwa 700.000 Einwohner beherbergen sollte. Und von einem direkt ernannten Gouverneur regiert wurden.
In den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts wurden die kaiserlichen Provinzen nach und nach durch kleinere Provinzen (Gouvernement) ersetzt. Einige Provinzen, vor allem in den Grenzregionen, wurden zusammengefasst und durch einen Generalgouverneur koordiniert.
Die Wirren von 1914-1918
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges entfesselte eine Dynamik, die die territoriale Struktur der ukrainischen Gebiete nachhaltig ändern sollte.
An die Stelle der zwei multinationalen Imperien waren vier neue, teilweise konkurrierende Staaten getreten, die SSR, Polen, die Tschechoslowakei und Rumänien.
Zu Beginn des Krieges drang die zaristische Armee in Galizien und die Bukowina ein, wurde aber 1915 von habsburgischen Truppen größtenteils zurückgedrängt. Nach der Oktoberrevolution von 1917 und einer provisorischen Übergangsregierung wurde die Sozialistische Republik ausgerufen.
Parallel hierzu formierte sich in der Dnieper Ukraine ein Zentraparlament (Rada), welche im Januar 1918 die Ukrainische Unabhängige Nationale Republik ausrief. Sie umfasste die russischen Provinzen.
Der Staat wurde zwar offiziell im Vertrag von Brest-Litowsk von Deutschland und Österreich-Ungarn, sowie von Sowjetrussland anerkannt. Dennoch waren bereits 1917 bolschewikische Truppen eingedrungen, und verhalfen einer sowjetischen Regierung kurzfristig zur Macht. Auf westlicher Seite entschied sich der bisher wichtigste Verbündete – Deutschland – mit dem Hetmanat eine andere Partei zu stützen. Diese pro-deutsche Regierung blieb bis 1918 an der Macht. Dem Kollaps des Österreich-Ungarischen Reiches folgend konnten regionale Kräfte gesteigerten Einfluss erlangen und so riefen galizische und bukowinische Autoritäten im Januar 1919 die Westukrainische Volksrepublik aus. Nach dem Fall des Hetmanats in der Ukrainischen Nationalen Republik vereinigten sich beide Republiken. Dies hatte allerdings nur ein Jahr Bestand.
In den extrem konfliktreichen und wirren Kriegsjahren und der Zeit danach gelang es jedoch keiner Autorität effektiv zu herrschen. Durch sowjetrussische, weißrussische, polnische und französische Invasionen, ständige Bauernaufstände, und einen generellen Zustand des Bürgerkrieges herrschte vielmehr Anarchie.
Die Zwischenkriegszeit
Die Nachwirkungen der Kriegsjahre sowie lokale Bürgerkriege dauerten noch bis zum Ende der 1920er Jahre an. Erst dann gelang es der UDSSR, Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei ihre jeweiligen Ansprüche auf dem ukrainischen Gebiet durchzusetzen.
Die ukrainische Sowjetrepublik umfasste den größten Teil der früheren zu Russland gehörenden Dnieper Ukraine. Die nördlichen und südlichen Randgebiete hingegen wurden anderen Sowjetrepubliken zugesprochen, während der westliche Teil Wolhyniens sowie Kholm von Polen beansprucht wurden.
1932 wurde das Gebiet in sieben Oblaste eingeteilt, deren Zahl bis 1939 auf 15 anstieg.
Der neu entstandene Staat Polen erhielt größtenteils Gebiete aus vormals Österreich-Ungarischer Hoheit, sowie einige ehemals zaristische Territorien. Die polnische Herrschaft erstreckte sich 1921 über Galizien, die westlichen Teile Wolhyniens, das westliche Polesien und Südpodlachien. Rumänien erlangte die Hoheit über die frühere russische Provinz Bessarabien sowie den nördlichen Teil der früheren österreich-ungarischen Provinz Bukowina. Weder im polnischen, noch im rumänischen Staat wurde den Regionen administrative Selbstständigkeit zugesprochen.
In der Tschechoslowakei wurde der Region Südkarpathien die Teilautonomie in einer administrativen Einheit zugesprochen.
Durch die verschiedenen Einflüsse unterschieden sich die Erfahrungen der Bevölkerung in den Zwischenkriegsjahren je nach Gebiet deutlich voneinander.

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Der zweite Weltkrieg
Als erste ukrainische Region wurden die Transkarpaten von den Kriegsereignissen erfasst und schließlich von 1939 bis 1944 schließlich von ungarischen Truppen annektiert.
Im September 1939 besetzte die Wehrmacht den westlichen Teil Polens; die Sowjetunion eroberte im November den östlichen Teil. Daraufhin wurde das westliche Wolhynien sowie der östlichen Teil Galiziens in die USSR eingegliedert. Die deutsche Invasion im Juni 1941 beendete die Sowjetische Präsenz bis zum Fluss Donets und der Stadt Harkiv. Das mit Deutschland verbündete Rumänien eroberte die bukowinischen und bessarabischen Territorien zurück, die vorher zwischen der ukrainischen und der moldawischen SSR aufgeteilt worden waren.
Das Deutsche Reich umfasste 1942, zur Zeit der größten Ausdehnung, das gesamte Gebiet der heutigen Ukraine.
Seit dem Winter 1942 drang die Rote Armee stetig nach Westen vor und konnte nach Siegen über deutsche Truppen sowie anti-sowjetische Kräfte (UPA) – besonders in der westlichen Ukraine – die Autorität der USSR wiederherstellen. Bis Oktober 1944 wurden deutsche, rumänische und ungarische Truppen aus der Krim, der Nord-Bukowina, Transnistrien, West-Wolhynien, West-Polesien, dem größten Teil Galiziens und letztlich auch Transkarpatien verdrängt.
Die Nachkriegszeit und Sowjetunion
Den Beschlüssen der Alliierten folgend wurde nach dem zweiten Weltkrieg die „Westverschiebung“ Polens durchgeführt. Die polnischen Gebiete wurden annähernd entlang der 1918 vom britischen Außenminister Georg Curzon vorgeschlagenen Curzon-Linie bzw. entlang der Grenze des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes aufgeteilt. Die Sowjetunion beanspruchte die Gebiete östlich dieser Linie und ordnete sie der USSR zu. Zur „ethnischen Homogenisierung“ wurde der bei Weitem größte Teil der regionalen polnischen Bevölkerung aus den ukrainischen Gebieten ausgesiedelt und teilweise gewaltsam vertrieben. Die auf polnischem Territorium lebende Ukrainische Bevölkerung wurde in gegensätzlicher Richtung zwangsumgesiedelt.
Zum Anlass des Vertrages von Perejaslaw, dem Treueid der Saropoger Kosaken auf Zar Alexei I. und Symbol für die Russisch-Ukrainische Freundschaft, wurde die Krim 1954 unter Chruschtschow in die USSR überführt.
Nach der Unabhängigkeit
Nach der Auflösung und einem Referendum mit 90,3% Zustimmung wurde die Ukraine im Dezember 1991 zum unabhängigen Staat in den Grenzen der vormaligen ukrainischen SSR.
Der junge Staat vereint viele Gegensätze in sich und steht im Prozess der Nationsbildung. Die bewegte Vergangenheit zwischen verschiedenen wechselnden Einflusssphären beeinflusst hierbei die gegenwärtige Wahrnehmung der Bevölkerung. Die vielen Vergangenheiten und Identitäten überlagern sich und stehen in teilweise spannungsvollen Wechselwirkungen miteinander.
Genau diese Begebenheiten sollten Untersuchungsgegenstand unserer Studienreise werden.